(Marl) Ist die menschliche Stimme einzigartig und unverwechselbar? Feststellbar ist zumindest, dass sie immer leichter manipuliert werden kann. Und eigentlich ging es seit Beginn der Tonaufzeichnung nie nur darum, individuelle Stimmen zu konservieren und zu reproduzieren, sondern auch zu modifizieren, bestimmten Erwartungen und Bedürfnissen anzupassen und zu modellieren. Dabei stehen wir noch am Anfang einer durch künstliche Intelligenz und Algorithmen sich grundlegend verändernden stimmlichen Kommunikation, deren Transformation im Mittelpunkt der jetzt vorliegenden Publikation steht: Mediale Stimmentwürfe – Perspectives of Media Voice Designs, herausgegeben von Marcus Erbe (Sound Studies, Universität zu Köln), Aycha Riffi (Grimme-Akademie) und Wolfgang Zielinski (Grimme-Medienbildung) in der Schriftenreihe zur digitalen Gesellschaft NRW.
Die Publikation ist aus dem Forschungsprojekt „Kulturelle Implikationen medial konstruierter Stimmen“ hervorgegangen, das 2020 im Rahmen des Grimme-Forschungskollegs an der Universität zu Köln umgesetzt werden konnte.
Eine der leitenden Fragestellungen war, welche Sozialvorstellungen – z.B. von Angemessenheit, Autorität und Handlungsmacht – medial konstruierten Vokalitäten zugrunde liegen. Denn so wenig medial konstruierte Stimmen in fiktionalen Kontexten (Film, Literatur, Hörspiel etc.) neutral sein können, so wenig neutral präsentieren sich die Stimmen in digitalen Geräten und Tools. Dies zeigt sich etwa in der aktuellen Debatte um den inhärenten Sexismus bei Sprachassistenzsystemen wie Alexa, Siri und Cortana.
Die Publikation bringt internationale Vertreter*innen aus Computerlinguistik, Musikwissenschaft, Theaterwissenschaft, Filmwissenschaft und Voice-Design gemeinsam mit Rundfunkredakteur*innen, Medienautor*innen und Kommunikationsberater*innen zusammen. Diskutiert wird über die Stimme als Kulturphänomen, ihre Gestaltung im Kontext von Bewegtbildmedien, die Signifikanz ‚körperloser‘ Stimmen im Radio, die Stimme in der Mensch-Computer-Interaktion sowie über technische oder technisierte Stimmen in Musik, Theater und Performancekunst.
Grimme-Direktorin Dr. Frauke Gerlach: „Im Kontext unserer Arbeit haben wir es im Grimme-Institut oft mit Stimmen zu tun – sei es im Rahmen der Auszeichnungen beim Deutschen Radiopreis oder in Workshops des alljährlichen RadioNetzwerkTages. Mit der jetzt vorliegenden Publikation findet nicht nur eine wissenschaftliche Fundierung des Themas statt, sondern es wird auch ein vorausschauender Blick auf den Umgang mit Stimmen im digitalen Zeitalter, auf ihre technische Reproduktion und Manipulation geworfen.“
Das Forschungsprojekt war eine Zusammenarbeit des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universität zu Köln mit der Grimme-Akademie und der Grimme Medienbildung. Das Projekt wie auch der vorliegende Band 7 der Schriftenreihe zur digitalen Gesellschaft NRW wurde gefördert durch das Grimme-Forschungskolleg an der Universität zu Köln.
Bibliografische Angaben:
Marcus Erbe / Aycha Riffi / Wolfgang Zielinski (Hrsg.): Mediale Stimmentwürfe – Perspectives of Media Voice Designs, Schriftenreihe zur digitalen Gesellschaft NRW, Band 7, München: kopaed, 2022.
Eine Open-Access-Version dieses Bands ist zu finden unter www.grimme-institut.de/schriftenreihe
Weitere Informationen unter: www.mediale-stimmen.de