Aktuell ist zu beobachten, dass sich politische Debatten gerade junger Zielgruppen aus den öffentlich zugänglichen Bereichen des Netzes in die privat(er)en zurückverlagern, wie beispielsweise Whatsapp oder Telegram. Transparenz und Öffentlichkeit gehen so verloren. Die Auseinandersetzung mit den populären Netzwerken im pädagogischen Kontext heißt, dabei den Wert der Inhalte als formelles und informelles Lernfeld für junge Menschen zu erkennen und mit Blick auf ‚private social‘ möglicherweise klassische Formen der politischen Medienbildung wieder in den Blick zu nehmen und – ganz wichtig – den Mut zu mehr Zivilcourage im Netz zu stärken, weil Interventionsmöglichkeiten limitiert werden.
- Myrle Dziak-Mahler, Kanzlerin der Alanus Hochschule, ehemals Geschäftsführerin am ZfL-Zentrum für LehrerInnenbildung, Universität zu Köln
- Lars Gräßer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Pressesprecher Grimme-Institut, Marl
- Prof. Dr. Dr. Frauke Rostalski, Institut für Strafrecht und Strafprozessrecht, Universität zu Köln
- Daniel Seitz, Medienpädagoge und Geschäftsführer Mediale Pfade - Verein für Medienbildung, Berlin
Die Moderation übernimmt Dr. Michael Köhler. Vor Ort gilt die „2-G-Regel“ – alle Teilnehmenden müssen einen Nachweis „geimpft“ oder „genesen“ vorlegen können. Die Anmeldung ist bis zum 18. Nov. 2021 möglich.
Statements
Lars Gräßer, Grimme-Institut, Marl:
Zehn Jahre ist das „dark social“ Phänomen mittlerweile alt und zeigt sich scheinbar erst jetzt in seiner ganzen Ambivalenz. Dabei kennen es nicht nur junge Zielgruppen, sondern wir alle, die wir für unsere Alltagskommunikation immer selbstverständlicher Messenger nutzen und so Debatten und Diskurse in „von außen“ nicht zugängliche quasi „private“ Digitalräume verlagern. Daher ist die Bezeichnung „private social“ deutlich treffender und etabliert sich (hoffentlich) langsam auch im Bildungskontext.
Wobei gerade Telegram längst mehr ist, als ein Messengerdienst und auf Grund der Kanalfunktionen immer stärker einem sozialen Netzwerk ähnelt, das sich einer Regulierung scheinbar zu entziehen vermag.
Einerseits kann die „Messengerisiering“ von Kommunikation dabei als kompetente Mediennutzung souveräner Subjekte gedeutet werden – weg von der rauen Kommentarkultur im Netz und hinein in den geschützten, quasi „privaten“ Bereich mit mehr oder weniger bekannter Kommunikationspartner*innen. Andererseits entpuppen sich eben diese Räume nicht nur als Orte demokratischer Meinungsbildung, sondern teils auch als Agitationsraum für Hass, Hetze und der Verbreitung von Verschwörungen. An dieser Stelle ist dann tatsächlich der Begriff „dark social“ angebracht, wiewohl er prinzipiell in die Irre führt, sind die hier geteilten Inhalte doch nicht per se „dark“ – im Sinne von prekär und/oder illegal.
Deutlich wird: Die (politische) Medienbildung steht hier vor neuen Herausforderungen. Zumal Ansätze, die nur auf (digital) kompetente Subjekte abzielen, immer weniger erfolgsträchtig erscheinen – es sei denn, sie gehen mit politischen und/oder rechtlichen „Lösungen“ einher, die überindividuelle Strukturen adressieren.
Finanziert wird das Projekt Fragmentierte Öffentlichkeit durch das Grimme-Forschungskolleg an der Universität zu Köln, zum Teil unterstützt durch Mittel von
- der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln;
- der Initiative Medienapokalypsen: Hoffnungen und Ängste zum medialen Wandel am Institut für Medienkultur & Theater;
- dem Institut für Digital Humanities;
- dem Zentrum für LehrerInnenbildung;
- der Grimme-Akademie.
Ein weiterer Kooperationspartner ist WDR 3, WDR 3 ist Kulturpartner der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln.