Internationale Internetkonzerne wie Amazon oder Alphabet bauen Infrastrukturen und Services auf, die man als systemrelevant und essentiell bezeichnen kann. Facebook, ein privates Wirtschaftsunternehmen, schlägt eine eigene Online-Währung vor. Damit etablieren sich Rahmungen und Strukturen, die Öffentlichkeit(en) mit strukturieren. Wo diese Internetkonzerne zugleich konkrete öffentliche Medien wie soziale Netzwerke betreiben, entsteht eine besondere Machtkonkurrenz – mit Folgen für unsere Demokratie und Öffentlichkeit.
Die Podiumsdiskussion geht den Fragen nach, ob inwiefern diese internationalen Unternehmen durch ihre Größe von staatlicher Seite noch sinnvoll zu regulieren sind und bzw. inwiefern sie durch ihre unbestreitbaren Verdienste in der Reduzierung von Friktion mit staatlichen Akteuren in Konkurrenz treten können.
- Dr. Frauke Gerlach, Direktorin Grimme-Institut, Marl
- Peter Schaar, Vorsitzender Europäische Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz, ehem. Bundesbeauftragter für Datenschutz, Berlin
- Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien (LfM) NRW, Düsseldorf
- Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Informations- und Datenrecht an der Universität Bonn, Bonn
- Prof. Dr. Alexander Thiele, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Staats- und Europarecht, an der Business and Law School Private Hochschule (BSP), Berlin
Die Moderation übernimmt Dr. Michael Köhler. Vor Ort gilt die „2-G-Regel“ – alle Teilnehmenden müssen am 27. Oktober einen Nachweis „geimpft“ oder „genesen“ vorlegen können. Gesendet wird der Mitschnitt am 28. Nov., um 18.04 auf WDR 3. Im Nachgang ist der Mitschnitt hier verfügbar.
Statements
Dr. Frauke Gerlach, Direktorin Grimme-Institut, Marl:
Mit den sozialen Netzwerken ist eine Infrastruktur entstanden, die eine nie dagewesene Machtdimension darstellt, da sie in den Händen weniger digitaler (Netz-)Oligarchen liegt. Diese verfügen über Daten, Algorithmen und enorme Mittel und bilden so ein globales Monopol. Um tatsächlich von einer „Plattformgesellschaft“ sprechen zu können, muss dieses Monopol von der Gesellschaft eingehegt und die Werte unserer europäischen Werteordnung berücksichtigt werden. Es ist nötig, ein Bewusstsein für diese Prozesse zu schaffen und regulierende Instrumente zu implementieren, die den Menschen ‚mitdenken‘ und systemisch angelegt werden. Es existiert jedoch keine universelle Lösung zum Aufbrechen der Marktmacht. Europarechtlich gilt es einen größeren gesellschaftlichen und ethischen Rahmen zu forcieren, der abstrakt generelle Regelungen trifft und das Grundgerüst für unsere digitale Gesellschaft bildet.
Dr. Tobias Schmid, Landesanstalt für Medien NRW, Düsseldorf:
Das Netz ist kein rechtsfreier Raum. Auch wenn manch einer das vielleicht anders empfindet. Daher werden wir bereits seit Jahren tätig, um Hassrede im Netz zu begegnen, den Jugendschutz zu sichern, Vielfalt zu stärken und Transparenz zu erwirken. Dank der zahlreichen Werkzeuge auf nationaler und europäischer Ebene, die uns der Gesetzgeber an die Hand gegeben hat, und der effektiven Zusammenarbeit über Landes- und Bundesgrenzen hinweg ist das auch zunehmend möglich. Dabei bleibt es jedoch zentral, diese Werkzeuge einzusetzen, und das mit Augenmaß. Denn wir sind in allem, was wir tun, zunächst dem Schutz der Meinungsfreiheit verpflichtet.
Prof. Dr. Alexander Thiele, Business and Law School Private Hochschule (BSP), Berlin
Der demokratische Verfassungsstaat hängt in seiner Funktionsfähigkeit von Voraussetzungen ab, die er - wie es der ehemalige Verfassungsrichter Wolfgang Böckenförde einmal prominent formulierte "nicht selbst garantieren kann". Dazu gehört eine angemessene Diskurskultur auf politischer und gesellschaftlicher Ebene und es dürfte keine neue Erkenntnis sein, dass die sozialen Medien insoweit eine besondere Herausforderung darstellen. Mit ihnen verändert sich die Art wie wir miteinander kommunizieren, wie sich Nachrichten verbreiten und wie wir Informationen für den Diskurs gewinnen. Über soziale Medien kann zugleich beachtlicher Einfluss auf demokratische Wahlen genommen werden. Es wäre aber verfehlt, hier nur die negativen Seiten zu sehen - soziale Medien können durchaus positive Effekte haben und sollten daher nicht allzu pauschal verteufelt werden. Gleichwohl gilt es sich den Gefahren bewusst zu sein, die hier für den demokratischen Verfassungsstaat bestehen und diesen rechtzeitig und effektiv entgegenzutreten. Das bedeutet: Der rechtliche Rahmen muss so gestaltet werden, dass die erkannten Gefahren minimiert und der Nutzen für die BürgerInnen maximiert wird. Hier besteht aktuell zweifellos Handlungsbedarf, allerdings fehlt es bisweilen noch an den notwendigen Kenntnissen darüber, wie soziale Medien funktionieren und wo die Gefahren genau liegen. Darüber hinaus müssen wir uns auch über das Regulierungsziel einigen: Geht es darum, die Macht und den Einfluss der Konzerne zu reduzieren? Hier muss man dann auch deren Funktionsmechanismen angemessen berücksichtigen. So wäre eine gewöhnliche Zerschlagung möglicherweise wenig sinnvoll, weil dann der Nutzen für die VerbraucherInnen erheblich reduziert würde. Sinnvoller könnte es sein, öffentliche Zugangsmechanismen zu etablieren oder im Hinblick auf die verwandten Algorithmen einen plattforminternen Wettbewerb zu organisieren. Möglicherweise sollte man auch über staatliche Plattformen nachdenken. Liegt das Regulierungsziel hingegen in einer Verbesserung der Diskurskultur dürfte das die Macht der Konzerne eher noch erhöhen, da damit wohl erhebliche Eingriffsmechanismen in den Plattformdiskurs einhergingen. Mit anderen Worten: Es bleibt viel zu tun!
Finanziert wird das Projekt Fragmentierte Öffentlichkeit durch das Grimme-Forschungskolleg an der Universität zu Köln, zum Teil unterstützt durch Mittel von
- der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln;
- der Initiative Medienapokalypsen: Hoffnungen und Ängste zum medialen Wandel am Institut für Medienkultur & Theater;
- dem Institut für Digital Humanities;
- dem Zentrum für LehrerInnenbildung;
- der Grimme-Akademie.
Ein weiterer Kooperationspartner ist WDR 3, WDR 3 ist Kulturpartner der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln.