Was gab’s zu lachen bei der Comedy Fachtagung 2024?
So einiges! Die Grimme-Akademie lud gemeinsam mit dem CoJokingSpace Expert*innen und Macher*innen aus der Szene ein, um über das allgegenwertige Thema KI zu referieren sowie neu erschlossene Plattformen wie Twitch und innovative Formate zu diskutieren. Mit Trends und Tendenzen, gab Jochen Voß, CoJokingSpace, den Auftakt. Gemeinsam mit Grimme-Akademie Leiterin Aycha Riffi moderierte er die Veranstaltung.
Neue Karrierewege, Talente und Formate
Über ihre individuellen Karrieren im Netz unterhielten sich Schauspieler und Comedian Carsten Strauch und Comedian Maria Ziffy mit Artist Manager Malte Lackmann. Gemeinsam gaben sie Einblicke in die vielfaltigen Optionen zur Erweiterung von Reichweiten im Comedybusiness. Wie und auf welchen Flächen man Talente in der Comedybranche richtig aufbaut, besprachen Nina Etspüler (i&u/LEONINE), Rebecca Xenia Lindinger (Labs Mgmt), Dörte vom Berg (RTL) und Isa Ostertag (ZDF). Mit un.logo!, einem Nachrichtensatire-Format für Jugendliche auf TikTok und Schlaflos in… mit Laura Larsson in der ARD-Mediathek stellten sich zwei Best Practice Formate vor.
Generationenübergreifender Humor?
Der Host der Comedyshow falsch, aber lustig, Moritz Neumeier, zeichnete zusammen mit der Leiterin des rbb Comedy Kollektiv, Janna Meyer, den Entstehungsprozesses ihrer Show nach und gab danach einen launigen Talk, moderiert von Gülsha Adilji, mit zwei weiteren Comedygenerationen. Dabei wies der Humor der Vertreter*innen aus Gen Z (Florentine Osche), Millennials (Moritz Neumeier) und Baby Boomer (Ralf Günther) recht viele Gemeinsamkeiten auf.
Als weitere Referent*innen waren dabei: Thomas Kornmaier (Generative AI & Digital Storytelling Consultant), Stephan Anpalagan (Strategieberater, Journalist), Nina Gkionis (Bavaria Entertainment), Patrick Löffler (ARD Reisen), Daniel Beißmann (Autorenkombinat), Ingo Schwarz (Headautor), Bartosz Tkaczyk (ARD-Twitch-Kanal, SWR), Thorsten Sievert (Smile Producing), Alexander Göbel (SWR), Malte Völz (Moderator, Comedian) und Stephan Neumann (Riverside Entertainment).
Jana Ballwebers Bericht für die Katholische Nachrichten Agentur über die Veranstaltung vom 22.11.2024 (Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung):
COMEDY - Wer darf wen wo und mit was unterhalten? Eine Fachtagung des Grimme-Instituts sucht Antworten auf diese Frage - und geht zum Lachen nicht in den Keller, sondern ins Fernsehstudio.
Köln (KNA) Humor ist eine ernste Sache. Das wusste schon die geniale Evelyn Hamann. Die Vorstellung, dass Comedians einfach nur warten, bis sie von der Muse geküsst werden und die Gags dann auf Knopfdruck nur sprudeln, hat noch nie gestimmt. Vielmehr streifen sie morgens ihre Siebenmeilenstiefel über, trotten mit Hammer und Meißel in den Witzsteinbruch und verrichten dort ihr schnödes Tagwerk, bevor sie abends ihre fette Beute auf den Bühnen des Landes über dem Publikum auskippen. Im Netzzeitalter wird das alles noch mühsamer, denn die Republik wärmt sich schon lange nicht mehr gemeinsam am Lagerfeuer seichter Samstagabend-Unterhaltung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, sondern steckt seine Mediennutzungszeiten in die unterschiedlichsten Orte im Internet. Wer Bekanntheit erlangen will, Reichweite erzielen und Eintrittskarten verkaufen, der oder die muss online präsent sein.
Wie viel harte Arbeit in einer Comedy-Karriere steckt, zeigt die Tagung "Was gibt's zu lachen - Comedy in TV und Netz", die das Grimme-Institut und CoJokingSpace, ein Netzwerk für professionellen Humor in der digitalen Welt, am Donnerstag gemeinsam in Köln organisierten. Wie darf wer wen auf welchem Weg zum Lachen bringen? Mit dieser Leitfrage im Gepäck schlugen sich Referentinnen und Referenten durch die neuesten Trends der Comedy-Branche. Der Veranstaltungsort war weise gewählt. Im Fernsehstudio, in dem sonst Oliver Welke Fernseh- und Studiopublikum in der "Heute Show" durch die Kuriositäten der Nachrichtenwoche kalauert, drängten sich nun Redakteure, Produzentinnen, Agentinnen, Nachwuchstalente und arrivierte Komiker. Ist die "Heute Show" nun nicht gerade das innovativste unter den Fernsehformaten, passte das Studio doch schon wieder in den aktuellen Zeitgeist. Denn die Kulissen atmen doch immer noch den Charme der frühen 2010er Jahre, als es der Satireshow beinahe im Alleingang gelang, die FDP aus dem Bundestag zu kegeln - zu einer Zeit, als die Partei für so etwas noch Schützenhilfe von außen benötigte. Der ehemalige Vizekanzler Philipp Rösler tauchte überraschenderweise nicht auf einem der Bildschirme auf, doch der Nostalgiefaktor stimmte schon mal.
Stefan Raab als Teil eines Retro-Trends
Auf den ging auch Moderator Jochen Voß vom CoJokingSpace ein, der das Publikum zu Beginn in einem wilden Ritt durch die TV-Comedy der Jahre 2023 und 2024 führte. Retro war nur einer der Trends, den Voß im Fernsehjahr ausgemacht hatte - verkörpert vor allem durch die mehr oder weniger (eher weniger) triumphale Rückkehr von Stefan Raab ins deutsche Fernsehen. Erfolgversprechender für die Branche sei da schon die Professionalisierung der Stand-up-Kultur, mit eigenen Comedy-Clubs in München und Berlin, die für viele Künstlerinnen und Künstler ein Sprungbrett auch in die Fernseh-Comedy sein könne, so Voß. Auch Sketche, Game-Shows und fiktionale Stoffe können für ihn unter das Label Comedy fallen. Und selbst die lange Zeit so naserümpfend beäugte Kleinkunst sei nicht unreformierbar und feiere beispielsweise mit dem deutschen Zauberduo Siegfried und Joy internationale Erfolge: "Man darf auch mal wieder eine Perücke aufsetzen", konstatierte Voß.
Was man alles darf oder nicht darf, beleuchtete als Keynote-Speaker der Journalist und Berater Stephan Anpalagan. Obwohl allerorten Schreihälse das Gefühl verbreiten, man könne ja heutzutage gar nichts mehr sagen, habe er das Gefühl, dass man mehr sagen dürfe als jemals zuvor. "Humor entsteht, wenn man von der Normalität abweicht. Dann wird es interessant, dann wird es lustig", so Anpalagan. Das Problem sei aber, wie in Deutschland Normalität konstruiert werde: "In den Neunzigern waren Filme in Deutschland lustig, wenn die Hauptfiguren einen schwulen Eindruck machten, zum Beispiel ein schwul wirkender Winnetou." Damit wurde suggeriert, dass Schwulsein eine Abweichung von der Normalität ist.
Der Karneval als leuchtendes Vorbild
Heute gebe es zumindest ein Problembewusstsein dafür: "Klügere Comedy hinterfragt genau das", so Anpalagan. "Aber das ist Arbeit. Man muss darüber nachdenken, was man sagt." In Köln vermutete Anpalagan die perfekten Voraussetzungen für diese Auseinandersetzung: "Köln hat Erfahrungen mit mittelgutem Humor", so der Journalist mit einem Seitenhieb auf den Karneval: "Humor im Karneval hatte immer die Funktion, sich über die Herrschenden lustig zu machen." Nach oben zu treten sei immer die gesündere Wahl. Zwar könne mal als Comedian natürlich auch mal nach unten treten. Dann müsse man aber sehr genau darüber nachdenken, und: "Dann muss es viel lustiger sein."
Comedy-Autor und Berater Thomas Kornmeier machte in seinem Vortrag aber ein dickes Fragezeichen hinter dieses genaue Nachdenken. Er beschäftigt sich mit Künstlicher Intelligenz und Humor und beunruhigte damit das Kölner Publikum. Wer glaube, dass KI im Humorfach nicht ähnliche Verwerfungen auslösen könne wie in allen anderen kreativen Berufen, ist, folgt man Kornmeier, schief gewickelt: "Es ist riskant, zu behaupten, dass wir Maschinen Sachen nicht beibringen können." Anhand von Katzenbildern illustrierte er den rasanten Fortschritt, den KI-Modelle innerhalb von kurzer Zeit nehmen können. Die 25 Witze, die ChatGPT auf Nachfrage hin erzählen kann, bedrohen zwar nachweislich noch keine Jobs in der Comedy-Branche. Setzt man aber eine spezialisierte KI für getrennt für Themenfindung, Assoziationen und Punchline ein, sehe die Sache schon ganz anders aus. 70 Prozent der Testpersonen haben in einer Studie solche KI-generierten Witze als lustiger bewertet als die von Laien. Und auch an professionelle Comedians reichten die Ergebnisse der Technik inzwischen heran.
Das unwahrscheinliche Comeback des linearen Fernsehens
Die Vorstellung, dass das noch irgendwas mit Kunst zu tun hat, fällt Laien angesichts von Fachwort-Ungetümen wie "Humor policy prompt" schwer. Doch die einzelnen Schritte der KI entsprechen im Grunde der mühsamen Arbeit in einem Writers' Room. Deswegen sei KI durchaus eine Bedrohung für den humoristischen Arbeitsmarkt. Gerade durch die Fortschritte im Bild- und Video-Bereich werde es schon bald möglich sein, lustigen Content gänzlich automatisiert herzustellen, so Kornmeier. Sein Heil sucht Kornmeier deshalb in der Live-Kunst: "Auf der Bühne passieren Dinge, die sich aus dem Sozialen, aus der Interaktion speisen, die KI (noch) nicht kann."
Das scheint auch bei der ARD angekommen zu sein, die bei der Tagung ihre Twitch-Strategie präsentierte. Es ist schon ein sehr unwahrscheinliches Comeback: die Rückkehr des linearen Fernsehens in die Lebenswelt junger Menschen. Jahrelang wurde die Selbstbestimmtheit des Streamings als Non plus ultra verkauft. Auf der Livestreaming-Plattform Twitch zeigt sich: Das muss nicht so sein. Seit nunmehr zwei Jahren betreibt die oft so staubige ARD ihren Kanal auf der Plattform für hippe, junge Nerds. Twitch ist vor allem für Gaming-Content bekannt, und den liefert die ARD auf ihrem Kanal auch. Doch viele Formate gehen längst darüber hinaus. Beim Comedy Clash treten Comedians gegeneinander an und eilen im Anschluss an ihren Auftritt direkt zu den Kommentatoren, die den Auftritt vorher am Mikrofon begleitet haben. Dann wird der Livechat ausgewertet, mit dem sich das Publikum am Stream beteiligen kann und so einen direkten Draht zum Team hat und Anregungen und Einschätzungen einbringen kann.
Ein neues Lagerfeuer
Auch die großen ARD-Marken versuchen sich mittlerweile bei Twitch. Die "Tagesschau" holte ihr Publikum jüngst in die Redaktionskonferenzen, so dass sich Zuschauerinnen und Zuschauer direkt mit Korrespondentinnen und Korrespondenten und der Redaktion austauschen konnten. Die "Sportschau" streamte zur Fußball-EM der Männer im Sommer stundenlang eine Watch-Party aus einer Kneipe, bevor Moderator Malte Völz und sein Live-Publikum nach dem Spiel in der ARD mit einem Kneipen-Quiz auch im linearen Fernsehen landeten. Ein Konzept, dass auch deswegen so gut funktionierte, weil die Arbeit auf Twitch dem alten Fernsehen und damit auch den Vorstellungen der älteren Fernsehschaffenden der ARD am nächsten komme, sagte in Köln Produzent Stephan Neumann. "Dass es auf Twitch dann auch mal ein bisschen verwackelter zugehen darf und dass wir über den Chat mit den Zuschauerinnen und Zuschauern interagieren, ist dann keine so große Umstellung mehr." Teile der Community entwickelten regelrechte FOMO, also Fear of missing out, die Angst, etwas zu verpassen, wenn sie im Livestream nicht dabei bleiben, so Bartosz Tkaczyk, der im Twitch-Team der ARD arbeitet. Das ist dann vom Lagerfeuer der Samstagabend-Unterhaltung nicht mehr allzu weit entfernt. Außer natürlich bei den Zuschauerzahlen, die auf Twitch noch deutlich niedriger sind als im linearen Fernsehen.
Was bleibt von der Comedy-Fachtagung 2024?
Humor wird weiterhin gebraucht und findet sein Publikum - wenn auch nicht mehr ausschließlich im Fernsehen. Soziale Netzwerke, Livestreams, Bühnenauftritte - all das gehört für Künstlerinnen und Künstler in einer zunehmend ausdifferenzierten Branche mittlerweile ganz selbstverständlich zum Repertoire dazu. Die Finanzierung bleibt schwierig und wird sich durch den technischen Fortschritt wohl noch weiter verkomplizieren. Doch gelacht werden muss weiter. Und solange das so ist, werden sich viele kleine Märkte für viele kleine Lagerfeuer finden.